Tierärztin untersucht Hund

Gliedmaßenfehlsstellungen (Korrekturosteotomien)

Die Gliedmaßen von Hunden und Katzen sollten, wie die Beine von Menschen auch, relativ gerade sein. Der Mechanismus, durch den sich die Gliedmaßen von Hunde- und Katzenwelpen entwickeln und wachsen, ist sehr komplex. Gelegentlich kommt es während der Entwicklung und des Wachstums zu Deformationen eines oder mehrerer Knochen. Bei wachsenden Tieren gibt es Zonen an den Enden der Knochen, sogenannte Wachstumsplatten, die für das gleichmäßige und symmetrische Wachstum (Länge und Breite) der Knochen verantwortlich sind.

Gliedmaßendeformationen können entweder bereits bei der Geburt (angeboren) vorhanden sein oder sich erst während des Wachstums (entwicklungsbedingt) bemerkbar machen. Es gibt eine Reihe von möglichen Ursachen für entwicklungsbedingte Gliedmaßendeformationen, wobei genetische Störungen und Verletzungen (Traumata) bei weitem, die häufigsten sind. Wenn eine Wachstumsplatte verletzt wird, z.B. durch einen Sturz, kann sie bei einem heranwachsenden Tier das Wachstum ganz oder partiell stoppen und so zu einer Verkürzung und Verbiegung des Knochens führen. Sind wie am Unterarmen paarige Knochen angelegt, sind die Auswirkungen besonders groß, da sich Verkürzung und Verbiegung des einen Knochens unmittelbar auf das Wachstum des zweiten Knochens auswirken. Ich

Die Vordergliedmaßen sind daher häufiger betroffen als die Hintergliedmaßen. Dies liegt zum Teil daran, wie oben erwähnt, dass im Unterarm zwei nebeneinander wachsende Knochen (Speiche und Elle) vorhanden sind. Wenn einer dieser Knochen schneller wächst als der andere, entwickelt sich die Gliedmaße abnormal und wird gebeugt oder verdreht. Typischerweise weicht die Pfote nach außen ab.

Diagnose

Die Röntgenuntersuchung ist die Hauptmethode zur Untersuchung von Wachstumsdeformitäten. Sie ermöglicht die Beurteilung der Lage, sowie der Richtung und des Ausmaßes der Deformität. Die Computertomographie (CT) liefert Schnittbilder der Extremität in allen Ebenen, und mehrere Schnitte können neu formatiert werden, um ein 3-dimensionales Bild zu erhalten. Diese Bildgebungsmodalität kann im Vergleich zu herkömmlichen Röntgenaufnahmen wichtige Zusatzinformationen liefern. Sie ist besonders nützlich für die Erkennung von Anomalien die Gelenke betreffen. Zudem kann durch neuere Techniken die Operation aufgrund der CT Bilder simuliert werden und somit eine bessere Planung der Operation erfolgen und hilfreiche Schablonen für die Operation hergestellt werden.

Schablone für die Schnittführung

Therapie

Viele Hunde und Katzen mit leichten Wachstumsdeformitäten können nicht-chirurgisch behandelt werden. Die Missbildung kann in erster Linie kosmetischer Natur sein und nicht zu Schmerzen und Lahmheit führen. In diesen Fällen besteht keine Rechtfertigung für eine Operation.

Eine konservative Behandlung kann eine Bewegungseinschränkung erforderlich machen, wie z.B. das Vermeiden von sportlichen Aktivitäten oder das Abspringen aus der Höhe. Dies ist besonders wichtig bei noch wachsenden Hunden, um die Möglichkeit einer weiteren Verletzung der Wachstumsplatte zu verringern. Übergewichtige Tiere sollten auf eine Diät gesetzt werden. Bei Hunden mit verbliebenem Wachstumspotenzial sollte die Wachstumsrate bewertet und gegebenenfalls reduziert werden. Dies kann erreicht werden, indem die Nahrungsaufnahme eingeschränkt und eine Umstellung der Fütterung von einer Wachstums- auf eine Erwachsenennahrung in Betracht gezogen wird. Jegliche ernährungsbedingten Ungleichgewichte sollten korrigiert werden.

Prinzipien der Chirurgie bei wachsenden Tieren

Die Art des Eingriffs hängt vom Alter des Hundes und damit von dem verbliebenen Wachstumspotenzial, den betroffenen Knochen, der Möglichkeit einer Gelenkbeteiligung und dem Schweregrad der Deformität ab. Bestimmte wichtige Grundsätze gelten für alle unreifen Hunde mit Wachstumsdeformationen:

  • Das Problem sollte so früh wie möglich beurteilt und so schnell wie möglich behandelt werden, um eine fortschreitende Deformation zu verhindern.
  • Wenn möglich sollte das Potenzial für ein weiteres Wachstum nicht weiter beeinträchtigt werden.

Die häufigsten chirurgischen Eingriffe, die bei wachsenden Hunden mit Wachstumsdeformitäten durchgeführt werden, werden im Folgenden erläutert und umfassen die Ostektomie (bei gepaarten Knochen), die Korrekturosteotomie und die Gliedmaßenverlängerung.

Ostektomie eines Knochenpaares

Eine Wachstumsretardierung eines von zwei gepaarten Knochen (oftmals ist die Elle betroffen) kann zu einer Deformierung und Verkürzung des zweiten Knochens (Speiche) führen. Eine Gelenksbeteiligung ist ebenfalls möglich. Die Entfernung eines Teils des primär betroffenen Knochens (Ostektomie) kann in diesen Fällen hilfreich sein, um die weitere Deformation zu begrenzen oder sogar teilweise zu verbessern. Dies ist aber abhängig von der noch vorhandenen Wachstumspotenz des zweiten Knochens (z.B. Speiche). Die Ostektomie eines gepaarten Knochens ist am häufigsten bei Hunden im Alter von weniger als sechs Monaten indiziert, da diese Tiere noch ein ausreichendes Wachstumspotential des Knochens haben, so dass sich der zweite Knochen noch begradigen kann. In einigen wenigen Fällen kann es notwendig sein, den Eingriff zu wiederholen, wenn die Ostektomie ausgeheilt ist und ein signifikantes Restwachstumspotenzial besteht.

Ostektomie distale Ulna

Korrekturosteotomie

Wachsende Hunde mit schweren Wachstumsdeformationen erfordern oft eine frühzeitige Korrekturosteotomie, um die fortschreitende Deformität zu begrenzen. So gibt es verschiedene Techniken um die unterschiedlichsten Knochenverformungen zu korrigieren. So kann beispielsweise ein Keil aus dem betroffenen Knochen entfernt werden, um eine zu starke Krümmung zu neutralisieren. Nach Entfernung des Keils werden die Schnittstellen der beiden Knochenfragmente wieder aufeinandergesetzt und der Knochen durch eine Plattenosteosynthese stabilisiert. Ein potenzieller Nachteil der Durchführung einer korrigierenden Operation bei einem wachsenden Patienten ist die Möglichkeit, eine weitere Wachstumsdeformation zu induzieren, die dann ggf. einen weiteren korrigierenden Eingriff erforderlich macht. Das Alter (verbleibendes Wachstumspotenzial) und die Größe des Patienten sind wichtige Faktoren, die in die Überlegungen einer OP Planung einbezogen werden müssen.

Gliedmaßenverlängerung

Hunde können eine signifikante Verkürzung eines Knochens tolerieren, ohne eine signifikante Ganganomalie zu entwickeln. Dies ist zurückzuführen auf die Fähigkeit die Knochen in der betroffenen Extremität kompensatorisch zu verlängern. Ein gewisser Ausgleich kann auch über eine unterschiedliche Gelenkwinkelung erfolgen.

Eine Gliedmaßenverlängerung wird, falls erforderlich, am einfachsten mit einem zirkulären externen Fixateur mit gespannten Drähten erreicht, die die beiden Knochensegmente, die voneinander weggezogen (distrahiert) werden müssen, sichern.

Prinzipien der Chirurgie bei ausgewachsenen Tieren

Bei ausgewachsenen Hunden mit Wachstumsdeformationen, die eine Korrekturoperation erfordern, sind die wichtigsten Überlegungen:

  • Wo sollte die Korrekturosteotomie (Durchtrennung des Knochens) durchgeführt werden?
  • Welcher Grad der Korrektur ist erforderlich?
  • Wie soll die Osteotomie (Knochendurchtrennung) stabilisiert werden?
  • Ist eine Verlängerung der Extremität angezeigt?

Die Osteotomie (Durchtrennung des Knochens) sollte an der Stelle der größten Deformation durchgeführt werden. Der Grad der Korrektur wird sowohl klinisch als auch röntgenologisch/computertomographisch beurteilt.

Osteotomie-Fixierung

Die gängigsten Methoden zur Stabilisierung von Osteotomien sind die interne Fixation mit einer Knochenplatte und die externe Fixation mit einem Fixateur.

Knochenplatten haben gewisse mechanische Vorteile und sind mit einer geringen Komplikationsrate verbunden. Zu den Nachteilen von Knochenplatten gehört die Unfähigkeit, die Ausrichtung der Gliedmaßen postoperativ anzupassen und eine Knochenverlängerung ist möglich.

Externe Fixateure haben den Vorteil, dass sie eine Gliedmaßenverlängerung ermöglichen und die Gliedmaßenausrichtung postoperativ angepasst werden kann. Zu den Nachteilen gehören jedoch die Notwendigkeit der Pflege und die notwendige Entfernung des Fixateur.

Korrekturosteotomie Radius/Ulna

Nachsorge

Eine Einschränkung der körperlichen Betätigung nach der Operation ist notwendig bis die Knochenheilung röntgenologisch nachgewiesen ist. In der Regel dauert dies sechs bis acht Wochen. Aktive und passive physiotherapeutische Techniken sind während dieser Zeit vorteilhaft.

Die Aussichten oder die Prognose bei Hunden mit Wachstumsdeformationen hängen von einer Reihe von Faktoren ab, wie z.B. Alter, Grad der Deformation bzw. Gliedmaßenverkürzung und dem Ausmaß der Gelenkbeteiligung. Letzteres führt unweigerlich zu einer Osteoarthritis, die möglicherweise eine kontinuierliche medizinische Behandlung und gelegentlich eine operative Versorgung, wie z.B. einen Gelenkersatz oder eine Arthrodese (Fusion des Gelenks), erforderlich macht. In Fällen ohne Gelenkbeteiligung ist die Prognose in der Regel gut.